Nachdem ich direkt am Anfang die Polarlichter sichten konnte und auch der erste Trip in die Natur nicht lange auf sich warten ließ, hätte ich eigentlich wunschlos glücklich sein müssen. Meine Gastfamilie erleichterte mir die Ankunft ungemein und auch meine ersten Tage auf der Arbeit verliefen super. Doch irgendetwas fehlte. Einer der Hauptgründe, wieso es mich nach Island verschlug und ich mich wochenlang durch anstrengende Vorbereitungen gequält habe: Surfen! Die ersten Tage schien mir dies noch sehr weit entfernt. Ich hatte zwar einen Plan, wo die Surfspots sind und wie ich es anstellen könnte. Jedoch war mir genauso bewusst, dass ich vorher einheimische Surfer kennenlernen muss. Folgend wird daher die wilde Geschichte erzählt, wie ich Kontakte fand und meinen Traum vom Surfen realisieren konnte.
"Hey, kennst du zufällig jemanden, der hier surft?"
Das Problem war ziemlich eindeutig. Ich musste so schnell wie möglich jemanden kennenlernen, der sich vor Ort auskennt. Da die Wellenvorhersage richtig gut war, bestand quasi eine Wellengarantie. Jedoch verblieb die Frage, wie ich es anstellen sollte zum Surfen zu kommen. Ohne groß darüber nachzudenken, zog ich also los und sprach Menschen an jeglichen Orten an. Ob im Bus, an der Universität oder vor Kneipen. Ich wollte von allen wissen, ob sie selber surfen oder jemanden kennen. Die Antworten waren überraschend ernüchternd. Ich wusste zwar, dass es hier auf Island sehr wenige Surfer gibt, aber die Resonanz überraschte mich dann trotzdem.
Ziemlich ähnlich wie in Deutschland halten die Leute hier Surfen, also Wellenreiten, nicht für möglich. Dank meines Durchhaltevermögens wurde ich dann jedoch vor einer Kneipe bei einem Spiel der isländischen Fußballnationalmannschaft belohnt und bekam den Kontakt von Rut, einer einheimischen Surferin und Fotografin. Es kam mir ziemlich komisch vor ihr einfach eine Nachricht zu schreiben und sie darauf anzusprechen, ob sie mich bei einem Surftrip mitnehmen kann. Immerhin kannte sie mich nicht. Die Antwort erhielt ich jedoch prompt.
Das erste Mal im Wasser
Zu meinem Glück ist Rut genauso surfbegeistert wie ich und daher fand sie es total cool, dass ich ihr geschrieben habe. Damit hätte ich auf jeden Fall nicht gerechnet. Direkt am nächsten Tag wollten wir zusammen den ersten Trip starten, jedoch wurde sie spontan für ein Fotoshooting gebucht und daher stand ich alleine da. Mein Mitbewohner bot mir an sein Auto auszuleihen und Rut ermutigte mich, einfach selber zu einem Surfort zu fahren und somit zog ich letztendlich mein Lebensmotto durch: Einfach machen.
Nach einer 45 minütigen Fahrt von Reykjavik kam ich entsprechend aufgeregt und enthusiastisch an. Vor Ort erwarteten mich schöne und ruhige Wellen, nichts was gefährlich aussah. Dementsprechend konnte ich bedenkenlos meine Neoprensachen überziehen und das erste Mal ins Wasser springen. Lustigerweise kam eine Stunde später ein Urlauber aus Österreich dazu und so konnten wir ein paar Stunden zusammen surfen. Zu meinem Glück war sein Bruder dabei und hat kurz Fotos gemacht. Somit kann ich eine kleine Impression von dem Tag teilen!
Das Gefühl das erste Mal auf Island im Wasser zu sein ist sehr schwierig zu beschreiben. Nach der langen, nervenaufreibenden Vorbereitung und allen finanziellen Überlegungen, welches Equipment denn das beste sei. Letztendlich ist es wohl eines der schönsten Gefühle, die sich jemand selber ermöglichen kann, wenn nach einer langen Planung solch ein großer Wunsch in Erfüllung geht.
Weitere Trips
Nach dem ersten Trip Anfang Oktober folgten bereits einige weitere in diesem Monat. Dabei bin ich zur Zeit immer mit der Rut unterwegs. Sie begann vor etwa einem Jahr mit vier anderen Freunden das Surfen und ist seitdem total davon begeistert. Von Reykjavik aus können wir immer perfekt einen Trip gemeinsam starten und vor Ort kommen dann meistens weitere Freunde von ihr hinzu.
Bei dem Video unten auch gerne auf die Berge im Hintergrund achten. Der erste Schnee liegt schon auf den Spitzen und daher ist es ein Traum dies vom Wasser aus sehen zu können. Auch wenn es natürlich nicht an jedem Tag möglich ist!
Das Surfen hier auf Island fühlt sich anders an als sonst. Keiner besteht hier darauf, eine Welle zu bekommen. Es wird immer geteilt. Alle sind freundlich zueinander, freuen sich darüber gemeinsam im Wasser zu sein. Natürlich gibt es keine großen Reizpunkte, da nicht viele Leute im Wasser sind. Allerdings habe ich trotzdem hierfür ein Beispiel. Vor einigen Wochen war ich bei etwas kleineren Wellen mit einem Isländer im Wasser und er hat direkt offen angesprochen, dass wir uns die Wellen teilen. Er hätte mir auch die schlechten Wellen überlassen können und ich hätte nichts dagegen gesagt. Immerhin gehört ihm nicht der Ort, jedoch surft er hier schon lange. Daher weiß ich diese Geste sehr zu schätzen und bin sehr froh, hier mit diesen Leuten surfen zu können!
Der Fluch ein zweites Mal ins Wasser zu wollen
Hier auf Island wird nach dem Surfen meist direkt ein Besuch ins Schwimmbad angeschlossen. So staunte ich schon etwas, als wir mit allen Neoprensachen ins Schwimmbad gehen durften und direkt zum Abduschen in den Außenbereich weitergeleitet wurden. Man kennt sich also. Nachdem wir eine Stunde im heißen Pool verbracht haben, fuhren wir noch ein weiteres Mal zum Surfspot, nur um mal kurz zu schauen was so abgeht. Da die Wellen jedoch besser geworden sind, fand ich mich 10 Minuten später im noch nassen Neoprenanzug wieder und surfte ein weiteres Mal. Die Konsequenz folgte direkt am nächsten Tag: Eine dicke Erkältung.
Da es trotzdem gut war, habe ich die Entscheidung natürlich nicht bereut. Allerdings ist dies auch ein Problem, da es daher immer wieder passiert. Erst letzte Woche kam ich aus dem Wasser, trocknete mich ab und kleidete mich mit normalen Klamotten ein, als Rut ihre Drohne rausholte und mir sagte, dass sie ganz vergessen hat ein Video von mir zu machen. Direkt kam mir der Gedanke nochmal kurz reinzugehen und schon wurden daraus zwei weitere Stunden im Wasser. Folglich kämpfte ich eine weitere Woche mit der Erkältung. Wenigstens kann ich euch folglich ein kurzes Video präsentieren. Es hat sich also wieder gelohnt!
Zukünftige Pläne
Mein großer Traum ist es eines Tages in Alaska zu surfen. Dies erfordert jedoch eine komplette Crew, da die Spots über Tage hinweg abgelegen sind. Island ist somit ein kleiner erster Test für das große Abenteuer!
Die nächsten Monate werden hier viele weitere Trips folgen und ich bin selber schon sehr gespannt. Die Isländer surfen nämlich das ganze Jahr und trotzen daher jeglichen Wetterverhältnissen. Ob Schnee, Hagel oder Surfen bei Minusgraden – es werden genau solche Trips folgen, auf die ich super gespannt bin!